Impressionen und Vermutungen rund um London 2012 - von Philipp Elsner
Der Gott der Beach-Boys
Wie, schon wieder vorbei? Ja, so schnell können zwei Wochen verfliegen. Schade irgendwie! Nur noch wenige Tage und der Zauber von
London ist zu Ende. Doch schon jetzt steht für mich fest: Es waren großartige
und spannende Olympische Spiele 2012. Und obwohl die typisch deutsche
Unzufriedenheit über den mäßigen Medaillen-Erfolg deutscher
Sportler allgegenwärtig ist, gab es doch auch für uns einiges an
Überraschungen. So zum Beispiel der historische Sieg der
Beachvolleyballer Brink und Reckermann, die in einem
nervenzerreißenden Match das brasilianische Weltmeister-Duo
schlagen konnten – und damit die ersten Europäer überhaupt sind,
die olympisches Gold im Beachvolleyball erringen konnten. Das
packende Spiel war eine Sensation auf ganzer Linie und für Zuschauer
wie für die Sportler bis zum Schluss eine Zitterpartie. Beim finalen Matchball ertappte ich mich dabei, wie ich gebannt auf den Bildschirm starrte und den Mund nicht mehr zu bekam. Es war, als würde ich gleich eine Goldmedaille gewinnen! Am Ende atme ich auf: Zum Glück
konnten sich die deutschen „Beach-Boys“ im knappen dritten
Satz durchsetzen. „Der Beachvolleyball-Gott war heute auf unserer
Seite“, sagte Brink überglücklich nach dem gewonnenen Match.
Jonas Reckermann, Julius Brink (Bild: Pixathlon) |
Überglücklich ist auch IOC-Chef
Jacques Rogge. Es seien ausgezeichnete Olympische Spiele gewesen.
London habe die Erwartungen voll erfüllt und es gebe nichts zu
beklagen, sagte der Ex-Olympia-Teilnehmer im Segeln dem Focus. Auch
die Zahlen sprechen für sich: Allein die olympische
Eröffnungszeremonie verfolgten mehr als eine Milliarde
Fernsehzuschauer vor den heimischen Bildschirmen. Zu Spitzenzeiten
waren rund 800.000 Besucher auf dem Gelände – unzufrieden ist
damit wohl niemand. Ich selbst habe Olympia täglich mitverfolgt, jeden Abend schalte ich schon fast automatisch den Fernseher an und fiebere mit den Olympioniken mit. Es wird wieder eine Umstellung sein, wenn die Spiele vorbei sind und die tägliche Dosis Medaillenhoffnung wegfällt.
Aufstieg der Legende aus Jamaika
Ein Highlight für die meisten
Zuschauer wird mit Sicherheit auch Usain Bolt gewesen sein – der
Läufer, der derzeit in aller Munde ist. Warum? Der Jamaikaner ist in
London 2012 zu einer lebenden Sprint-Legende geworden. Zwei
Goldmedaillen, zwei Titel verteidigt. Als erster Olympionik der
Geschichte. „Ich bin der größte lebende Athlet“, sagte Bolt
nach seinem Sieg über 200 Meter. In der Tat, was Bolt leistet ist
fantastisch und löst Begeisterung bei den Zuschauern aus: Nur 19,32
Sekunden brauchte der 25jährige für die 200 Meter. Das ist eine
Durchschnittsgeschwindigkeit von über 33 km/h. Die Magie des Läufers überträgt sich wohl auch durch die Mattscheibe:
Bei der geisterhaften Stille kurz vor dem Startschuss befällt mich eine
Gänsehaut. Es ist schwer, sich diesem Zauber zu entziehen und objektiv zu
bleiben. Der Startschuss fällt und die Menge tobt. Ich fiebere mit und weiß dabei nicht mal genau, warum. Als Bolt ins Ziel
kommt, legt er sich auf die Tartanbahn des Olympiastadions und
macht ein paar Liegestütze. Danach springt er auf und dreht eine
Ehrenrunde mit der Jamaika-Fahne. Während alledem sitzen oder liegen
seine Konkurrenten auf der Bahn und schnappen nach Luft. Bei solchen Bildern mischt sich ein komisches Gefühl unter meine Begeisterung. Geht bei Usain Bolt wirklich alles mit rechten Dingen
zu?
Usain Bolt (Bild: Pixathlon) |
Spricht man über Olympia, spricht man
immer auch über Doping. Dieser negative Kontext, der unterschwellig
jedes mal mitschwingt, scheint einfach anzuhaften. Bolt schüttelt
den Kopf, als er während einer Pressekonferenz danach gefragt wird:
„Wir jamaikanischen Sprinter trainieren hart, wir brauchen das
Doping nicht, wir mögen es nicht, deswegen tun wir es auch nicht.“
Aha. Trotzdem bleibt in mir ein ungutes Gefühl
zurück, ein letzter Zweifel, der wohl nie ausgeräumt werden wird
und kann – gerade wenn man sich in solchen Spitzenwerten bewegt.
Rekorde, bei denen die weltbesten Sportler an ihre Grenzen gehen,
werfen immer die Frage auf, was medizinisch möglich ist. Auf
Facebook schreibt ein User: „Jamaika, ein Land mit noch nicht mal 3
Mio Einwohnern, ohne Anti-Doping-Agentur, belegt die Plätze 1, 2 und
3 im 200-Meter-Rennen. Stellt die 100 Meter-Olympiasieger bei Männern
und Frauen. Warum nur habe ich das Gefühl, verarscht zu werden.“
Dieser Vorwurf lässt sich nur schwer von der Hand weisen. Und: Oft
genug hat sich bei Spitzenathleten und gerade bei Sprintern ein
Verdacht später bestätigt. Beispiele gefällig? Ben Johnson, Sieger
1988 war gedopt. Carl Lewis, Sieger 1984 war gedopt. Lindford
Christie, Sieger 1992 war gedopt. Die Liste geht weiter.
Vertrauen ist gut...
Die Antidoping-Kommision beruhigt: Bolt
sei 2007 mindestens 15 mal kontrolliert worden. In den Jahren 2009
und 2010 jeweils mehr als viermal. Außerdem gab es zahlreiche
Doping-Fälle in seinem Team, die aufgedeckt wurden. Wie zum Beispiel
Silbermedaillen-Gewinner Yohan Blake, jamaikanischer Sprinter. Denn
er wurde vor London des Dopings überführt und für drei Monate
gesperrt. Pünktlich zu Olympia war er aber dann wieder fit. Warum
also weiter dieses ungute Gefühl? Ich jedenfalls bin nicht restlos überzeugt. Den Grund dafür kann ich selbst schwer festmachen, es ist wohl eher eine Ahnung als ein fundierter Verdacht. Trotzdem werden für mich die Bilder vom strahlenden Sieger Bolt und seiner übertriebenen Leichtigkeit immer einen etwas bitteren Beigeschmack behalten. Schmeckt das noch jemand?
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