Freitag, 10. August 2012

Olympische Eindrücke

Impressionen und Vermutungen rund um London 2012 - von Philipp Elsner



Der Gott der Beach-Boys

Wie, schon wieder vorbei? Ja, so schnell können zwei Wochen verfliegen. Schade irgendwie! Nur noch wenige Tage und der Zauber von London ist zu Ende. Doch schon jetzt steht für mich fest: Es waren großartige und spannende Olympische Spiele 2012. Und obwohl die typisch deutsche Unzufriedenheit über den mäßigen Medaillen-Erfolg deutscher Sportler allgegenwärtig ist, gab es doch auch für uns einiges an Überraschungen. So zum Beispiel der historische Sieg der Beachvolleyballer Brink und Reckermann, die in einem nervenzerreißenden Match das brasilianische Weltmeister-Duo schlagen konnten – und damit die ersten Europäer überhaupt sind, die olympisches Gold im Beachvolleyball erringen konnten. Das packende Spiel war eine Sensation auf ganzer Linie und für Zuschauer wie für die Sportler bis zum Schluss eine Zitterpartie. Beim finalen Matchball ertappte ich mich dabei, wie ich gebannt auf den Bildschirm starrte und den Mund nicht mehr zu bekam. Es war, als würde ich gleich eine Goldmedaille gewinnen! Am Ende atme ich auf: Zum Glück konnten sich die deutschen „Beach-Boys“ im knappen dritten Satz durchsetzen. „Der Beachvolleyball-Gott war heute auf unserer Seite“, sagte Brink überglücklich nach dem gewonnenen Match.

 
Jonas Reckermann, Julius Brink (Bild: Pixathlon)
Zufrieden mit den Zahlen

Überglücklich ist auch IOC-Chef Jacques Rogge. Es seien ausgezeichnete Olympische Spiele gewesen. London habe die Erwartungen voll erfüllt und es gebe nichts zu beklagen, sagte der Ex-Olympia-Teilnehmer im Segeln dem Focus. Auch die Zahlen sprechen für sich: Allein die olympische Eröffnungszeremonie verfolgten mehr als eine Milliarde Fernsehzuschauer vor den heimischen Bildschirmen. Zu Spitzenzeiten waren rund 800.000 Besucher auf dem Gelände – unzufrieden ist damit wohl niemand. Ich selbst habe Olympia täglich mitverfolgt, jeden Abend schalte ich schon fast automatisch den Fernseher an und fiebere mit den Olympioniken mit. Es wird wieder eine Umstellung sein, wenn die Spiele vorbei sind und die tägliche Dosis Medaillenhoffnung wegfällt.

Aufstieg der Legende aus Jamaika

Ein Highlight für die meisten Zuschauer wird mit Sicherheit auch Usain Bolt gewesen sein – der Läufer, der derzeit in aller Munde ist. Warum? Der Jamaikaner ist in London 2012 zu einer lebenden Sprint-Legende geworden. Zwei Goldmedaillen, zwei Titel verteidigt. Als erster Olympionik der Geschichte. „Ich bin der größte lebende Athlet“, sagte Bolt nach seinem Sieg über 200 Meter. In der Tat, was Bolt leistet ist fantastisch und löst Begeisterung bei den Zuschauern aus: Nur 19,32 Sekunden brauchte der 25jährige für die 200 Meter. Das ist eine Durchschnittsgeschwindigkeit von über 33 km/h. Die Magie des Läufers überträgt sich wohl auch durch die Mattscheibe: Bei der geisterhaften Stille kurz vor dem Startschuss befällt mich eine Gänsehaut. Es ist schwer, sich diesem Zauber zu entziehen und objektiv zu bleiben. Der Startschuss fällt und die Menge tobt. Ich fiebere mit und weiß dabei nicht mal genau, warum. Als Bolt ins Ziel kommt, legt er sich auf die Tartanbahn des Olympiastadions und macht ein paar Liegestütze. Danach springt er auf und dreht eine Ehrenrunde mit der Jamaika-Fahne. Während alledem sitzen oder liegen seine Konkurrenten auf der Bahn und schnappen nach Luft. Bei solchen Bildern mischt sich ein komisches Gefühl unter meine Begeisterung. Geht bei Usain Bolt wirklich alles mit rechten Dingen zu?


Usain Bolt (Bild: Pixathlon)
Verdacht und Zweifel

Spricht man über Olympia, spricht man immer auch über Doping. Dieser negative Kontext, der unterschwellig jedes mal mitschwingt, scheint einfach anzuhaften. Bolt schüttelt den Kopf, als er während einer Pressekonferenz danach gefragt wird: „Wir jamaikanischen Sprinter trainieren hart, wir brauchen das Doping nicht, wir mögen es nicht, deswegen tun wir es auch nicht.“ Aha. Trotzdem bleibt in mir ein ungutes Gefühl zurück, ein letzter Zweifel, der wohl nie ausgeräumt werden wird und kann – gerade wenn man sich in solchen Spitzenwerten bewegt. Rekorde, bei denen die weltbesten Sportler an ihre Grenzen gehen, werfen immer die Frage auf, was medizinisch möglich ist. Auf Facebook schreibt ein User: „Jamaika, ein Land mit noch nicht mal 3 Mio Einwohnern, ohne Anti-Doping-Agentur, belegt die Plätze 1, 2 und 3 im 200-Meter-Rennen. Stellt die 100 Meter-Olympiasieger bei Männern und Frauen. Warum nur habe ich das Gefühl, verarscht zu werden.“ Dieser Vorwurf lässt sich nur schwer von der Hand weisen. Und: Oft genug hat sich bei Spitzenathleten und gerade bei Sprintern ein Verdacht später bestätigt. Beispiele gefällig? Ben Johnson, Sieger 1988 war gedopt. Carl Lewis, Sieger 1984 war gedopt. Lindford Christie, Sieger 1992 war gedopt. Die Liste geht weiter.

Vertrauen ist gut...

Die Antidoping-Kommision beruhigt: Bolt sei 2007 mindestens 15 mal kontrolliert worden. In den Jahren 2009 und 2010 jeweils mehr als viermal. Außerdem gab es zahlreiche Doping-Fälle in seinem Team, die aufgedeckt wurden. Wie zum Beispiel Silbermedaillen-Gewinner Yohan Blake, jamaikanischer Sprinter. Denn er wurde vor London des Dopings überführt und für drei Monate gesperrt. Pünktlich zu Olympia war er aber dann wieder fit. Warum also weiter dieses ungute Gefühl? Ich jedenfalls bin nicht restlos überzeugt. Den Grund dafür kann ich selbst schwer festmachen, es ist wohl eher eine Ahnung als ein fundierter Verdacht. Trotzdem werden für mich die Bilder vom strahlenden Sieger Bolt und seiner übertriebenen Leichtigkeit immer einen etwas bitteren Beigeschmack behalten. Schmeckt das noch jemand?


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